Das ist ein richtig tolles Haus

 TAGEBLATT-Serie 150 Jahre Lahntalbahn:
Was tut sich heute an der Strecke?

 15.04.2012, www.mittelhessen.de, Pascal Reeber

Villmar-Aumenau. Die Bahn baut. Am Bahnhof Aumenau, 50 Meter vom historischen Empfangsgebäude, entsteht aus Metall und Glas ein Unterstand für Passagiere. Auf Dauer soll das günstiger sein, als die Fahrgäste durchs Empfangsgebäude zu schicken, sagt dessen Eigentümer. Da würde Miete fällig. Perplex? Nein. Denn wo Bahnhof draufsteht, ist heute oft keine Bahn mehr drin. Auch in Aumenau nicht.

 

Das dortige Empfangsgebäude zwischen Lahn, Gleisen und Straße ist verkauft. Nicht die Bahn, der Aumenauer Andreas Städtgen ist dort jetzt der Chef.

Die Bahn hat sich vor Jahren von hunderten Gebäuden in Deutschland getrennt. Der Käufer ging dann irgendwann pleite, die Gebäude wurden versteigert. Städtgen, der nur wenige Meter vom Bahnhof wohnt, schlug zu. Und besitzt jetzt - vorsichtig geschätzt - Aumenaus längste Baustelle.

 

 

Im vorigen Jahr haben die Städtgens angefangen, den Bahnhof zu entrümpeln und zu renovieren. Noch drei bis fünf Jahre soll die Sanierung dauern. Auch wenn die Bausubstanz gut ist (Städtgen: "Hier fahren seit 150 Jahren Züge vorbei und es gibt keine Risse im Haus"), war der dreigeschossige Bau in einem heruntergekommenen Zustand. Die Lichtschalter geklaut, Türen eingetreten, Wasser im Haus, der Gewölbekeller voll Matsch, einige Ecken als Klo missbraucht. Seither wird gewerkelt. Städtgen will das Gebäude für seine Firma nutzen. Außerdem soll im Erdgeschoss ein Kiosk entstehen, den Bahnhof wieder mit Leben füllen. Ein Weingeschäft kann sich der Inhaber vorstellen.

Der Aumenauer Bahnhof stammt aus dem Jahr 1862. Schnell habe sich die Station zum wirtschaftlichen Motor der Gegend entwickelt, sagt Städtgen. Und ist gewachsen. "Ursprünglich war der Bahnhof kleiner. Er ist dann irgendwann erweitert worden." Die ehemaligen Außenwände sind im Haus noch zu erkennen.

Geschichtliche Aufzeichnungen über den Bahnhof hat Städtgen nur wenige. Sie seien schwer zu finden. Unter anderem hat er eine Postkarte von 1900 ergattert, die für Aumenau wirbt und auch den Bahnhof zeigt. "Durch die Gruben rundherum war an diesen Bahnhof viel Güterverkehr angegliedert", weiß Städtgen. "Wenn man heute nach Informationen sucht, dann ist es zum Beispiel schon unmöglich, ein Bild zu bekommen."

Heute starten in Aumenau keine Güterzüge mehr. Und die Bahn zieht sich stetig zurück. Hundert Meter vom Empfangsgebäude sitzt noch der Fahrdienstleiter auf dem Stellwerk, bedient Weichen und Signale. Einen Bahnhofsvorsteher oder eine Fahrkartenausgabe gibt es nicht mehr. Im Wartesaal steht der Ticket-Automat. Auch der komme wohl weg, zum neuen Wartehaus 50 Meter weiter, sagt Städtgen. Bis auf eine Telefonanlage solle alle Bahntechnik aus dem Haus weichen. Das Email-Schild mit dem Wort "Aumenau" will der neue Bahnhofs-Besitzer gern behalten. Daran liegt ihm was.

 

"Da verliert man als jemand, der was tun möchte,
ein bisschen den Glauben"

Der Bahnhof steht - wie die Strecke - seit 25 Jahren unter Denkmalschutz. So muss Städtgen viele Auflagen beachten, sich oft mit den Behörden abstimmen. Damit er im alten Warteraum eine Küche für den Kiosk einbauen kann, musste er eine Nutzungsänderung beantragen. Den Antrag hat er in achtfacher Ausfertigung abgegeben. "Da verliert man als jemand, der was tun möchte, ein bisschen den Glauben. Und man versteht, warum es so viele Objekte gibt, die dem Verfall preisgegeben sind."

Dennoch: Städtgen will die Sanierung durchziehen. "Mein Ziel ist, dass man ein bisschen was erhält, was traditionell aufgebaut worden ist.
Das ist ein richtig tolles Haus."

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